> 2 Milliarden Jahre
Am Anfang gab es auf unserem blauen Planeten nur wenige Mikroorganismen, die daran angepasst waren, die damalige Atmosphäre aus Ammoniak, Kohlendioxid, Stickstoff, Methan und Schwefelgasen zu verstoffwechseln. Pflanzen und Tiere, wie wir sie heute kennen, konnten sich erst entwickeln, als eine besondere Form der Photosynthese von Cyanobakterien, so genannten Blaualgen, „erfunden“ wurde: Vor mehr als zwei Milliarden Jahren reicherten Blaualgen damit die ursprüngliche Atmosphäre mit molekularem Sauerstoff (chemisch: O2) an. Durch ihre besonders effiziente Photosynthese wandeln diese Mikroorganismen noch heute Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit Hilfe der Energie des Sonnenlichts und unter Verbrauch von Wasser in Zucker um und produzieren als Abfallprodukt Sauerstoff. Für viele Organismen war die neue sauerstoffhaltige Atmosphäre damals giftig, während sich andere an die neuen Lebensbedingungen anpassten und sich im Laufe der Jahre grundlegend veränderten. Ohne O2 hätten sich so komplexe und große Lebewesen wie wir Menschen nicht entwickeln können. Die Entstehung der O2 produzierenden Photosynthese war also der Beginn unseres heutigen Lebens auf der Erde, und ohne Algen und Pflanzen würden Tiere und Menschen nicht überleben.

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400.000 Arten – vom Zwerg bis zum Riesen
Wissenschaftler gehen davon aus, dass es heute bis zu 400.000 Algenarten gibt, obwohl bisher nur etwa 40.000 von ihnen bekannt sind. Man unterscheidet zwischen Mikroalgen und Makroalgen. Makroalgen können bis zu 100 Meter lang werden. Sie leben in den Ozeanen und sind oft als Algen an Stränden zu finden. Mikroalgen hingegen sind winzig und mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Die kleinste bekannte Alge ist nur 1µm (sprich: Mikrometer) groß, was 0,0001 Zentimetern entspricht. Zum Vergleich: Ein einzelnes, dünnes Haar hat einen Durchmesser von etwa 0,004 Zentimetern. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe. Spezielle Farbpigmente sorgen dafür, dass Algen unterschiedlich gefärbt sind, was zur Unterscheidung zwischen Braun-, Rot-, Grün- und Blaualgen führt.
Überlebenskünstler
Die Lebensräume der Algen sind so vielfältig wie die Algen selbst. Sie leben in Süß- und Salzwasser, im und unter dem Eis und in Wüsten. Wir begegnen Algen jeden Tag, denn sie finden sich auch auf Dachziegeln und Pflastersteinen, in Pfützen und als Partner von Pilzen in Flechten an Wänden und Bäumen. Manche Algen nutzen sogar das Fell von Faultieren als Lebensraum.


Klimaretter und Welternährungsproduzenten – Algen als Gemüse der Zukunft
Algen als Retter der Welt? Algen sind nicht nur wichtige Sauerstoffproduzenten auf der Erde (Algen produzieren rund 50 % des weltweiten Sauerstoffbedarfs) und schützen das Klima, indem sie klimaschädliches Kohlendioxid absorbieren. Aufgrund ihrer hervorragenden Wachstumseigenschaften und wertvollen Inhaltsstoffe, wie z.B. Vitamine, sind sie auch ideal als Nahrungsmittel für die wachsende Weltbevölkerung geeignet. Vor allem in den asiatischen Ländern sind Algen schon lange ein wichtiges Nahrungsmittel. Dem stetigen Anstieg der Weltbevölkerung steht eine Verknappung der Anbauflächen gegenüber. Algen sind jedoch sehr genügsam. Sie können in Salz- und Süßwasser gezüchtet werden. Große, offene Teiche sind ebenso möglich wie geschlossene Systeme, so genannte Photobioreaktoren. So können beispielsweise Flächen in der Wüste genutzt werden, die für den Anbau ungeeignet sind.
Carrageen und Agar-Agar sind zwei Beispiele aus der Welt der Algen, die bereits in Supermärkten zu finden sind. Diese beiden aus Rotalgen gewonnenen Stoffe werden hauptsächlich als Geliermittel in der Lebensmittelindustrie verwendet. Man findet sie vor allem in Desserts wie Pudding und Eiscreme, aber auch in vielen anderen Lebensmitteln. Die Kosmetikindustrie verwendet diese Stoffe unter anderem für Zahnpasta und Cremes. Omega-3-Fettsäuren und Carotinoide wie Astaxanthin aus Algen werden ebenfalls in der Lebensmittel- und Kosmetikproduktion eingesetzt. Ebenfalls bereits auf dem Markt ist ein Sonnenschutzmittel, das Biokatalysatoren aus Blaualgen zum Schutz vor Sonnenbrand einsetzt. Das so genannte Photolyase-Enzym der Alge schützt nicht nur die Alge selbst vor schädlicher UV-Strahlung, sondern kann auch die menschliche Haut schützen.


Medizin und pharmazeutische Industrie
Auch aus medizinischer Sicht haben Algen einen großen Nutzen. Forscher suchen derzeit nach Wirkstoffen aus Algen für die Krebstherapie oder als AIDS-Impfstoff und testen diese derzeit im Labor. Die Blaualge Spirulina ist für die medizinische Forschung von großem Interesse, weil in ihr ein Wirkstoff gefunden wurde, der vor Fieberbläschen schützen kann. Braunalgen wiederum können aufgrund ihres hohen Jodgehalts zur Behandlung von Schilddrüsenunterfunktion eingesetzt werden, und bestimmte Mikroalgen werden bereits in ersten klinischen Versuchen als Impfstoffproduzenten, zum Beispiel gegen Malaria, getestet. Alginate aus Rot- und Braunalgen finden sich in Kompressen zur Wundversorgung.
Andere Forschergruppen legen ihren Schwerpunkt auf die umweltfreundliche und ressourcenschonende Produktion von PKW-Treibstoff oder Kerosin mit Hilfe von Algen. Hierzu wurden im Rahmen eines Förderprojekts schon einige Testflüge durchgeführt.
Die AG Photobiotechnologie der RUB hat sich auf die Produktion von Wasserstoff sowie chemischen Stoffen aus Mikroalgen spezialisiert. Mit Hilfe von Algen-Enzymen generiert das Team biobasierte Produkte für die industrielle Anwendung.
